Newsletter 1 / 2023
Das neue Aktienrecht - relevantes kurz vertieft
Im Rahmen unserer Kundeninformation haben wir angekündigt, das Thema «neues Aktienrecht» im Laufe des Jahres 2023 nochmal aufzugreifen.
Im ersten Quartal 2023 sind viele Fachartikel zu verschiedenen Aspekten des neuen Aktienrechts publiziert worden. Zudem konnten wir in der Praxis bereits erste konkrete Erfahrungen sammeln. Viele neue Bestimmungen betreffen börsenkotierte Unternehmen. Diese wollen wir an dieser Stelle nicht weiter ausführen, da die Relevanz im Alltag eines KMU-Unternehmens nicht von Bedeutung sein dürfte.
Die Themen, welche bereits in der letzten Kundeninformation beschrieben worden sind, werden zum Teil nicht mehr weiter ausgeführt.
Gründung, Statuten, Kapital
Der Art. 626 OR, welcher den Mindestinhalt der Statuten definiert, wurde neu formuliert. Obwohl die Ziffern 5 (Einberufung der Generalversammlung und Stimmrecht der Aktionäre) und 6 (die Organe für die Verwaltung und für die Revision) gestrichen wurden, heisst das nicht, dass die Statuten nun bedeutend gekürzt werden können. Wie bisher finden sich in zahlreichen anderen Gesetzesartikeln Verweise auf die Statuten. Zum Bespiel:
- Art. 673 Freiwillige Gewinnreserven: Die Generalversammlung kann in den Statuten oder durch Beschluss freiwillige Gewinnreserven vorsehen. Die Bildung ist zulässig, wenn das dauernde Gedeihen des Unternehmens unter Berücksichtigung der Interessen aller Aktionäre dies rechtfertigt.
- Art. 697n Schiedsgericht Die Statuten können vorsehen, dass gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht beurteilt werden. Für die Einführung einer solchen Klausel ist ein Generalversammlungsbeschluss mit qualifizierten Mehr erforderlich.
- Art. 701d Virtuelle Generalversammlung Art. 70b Generalversammlung im Ausland Eine Generalversammlung kann mit elektronischen Mitteln ohne Tagungsort oder neu auch im Ausland durchgeführt werden, sofern die Statuten dies vorsehen.
Weiter wurden Bestimmungen zur Gründung vereinfacht. Sachübernahmen erfüllen nicht mehr den Tatbestand der qualifizierten Gründung. Erfolgt eine Bargründung mit der Absicht, nach der Gründung Vermögenswerte von Aktionären oder diesen nahestehenden Personen zu erwerben, muss der Sachübernahmevertrag den Gründungsunterlagen nicht mehr beigelegt werden und auch nicht mehr von einem zugelassenen Revisor geprüft werden.
Zudem ist es möglich, das Aktienkapital auch in Fremdwährung zu liberieren. Zum Zeitpunkt der Gründung (nicht dem HR-Eintrag) muss der Gegenwert mindestens CHF 100’000 betragen und der Umrechnungskurs muss im Errichtungsakt genannt werden. Der Bundesrat hat festgelegt, dass folgende ausländischen Währungen zur Hinterlegung des Aktienkapitals zulässig sind:
- Britische Pfund
- Euro
- Amerikanischer Dollar
- Japanischer Yen
Für die Buchführung und Rechnungslegung muss das Unternehmen dann die gleiche Währung anwenden.
Auch die Bestimmungen zu Kapitalerhöhung und Herabsetzung wurden präzisiert und die Fristen zum Teil angepasst. Der Verwaltungsrat kann dazu ermächtigt werden, das Aktienkapital während einer Dauer von maximal fünf Jahren innerhalb einer Bandbreite von +/- 50 % ordentlich oder bedingt zu verändern (sog. Kapitalband). Diese Möglichkeit dürfte vor allem für Unternehmen interessant sein, welche überkapitalisiert oder auf der Suche nach Investoren sind. Der Beschluss zur Erhöhung und/oder Herabsetzung des Aktienkapitals wird von der Generalversammlung mit einem qualifizierten Mehr beschlossen. Ebenfalls legt die Generalversammlung den Zeithorizont (max. fünf Jahre) sowie die angestrebte Veränderung fest.
Generalversammlung
Nebst den bisherigen Befugnissen ist die Generalversammlung neu auch zuständig für die Festsetzung der Zwischendividende und die Genehmigung des Zwischenabschlusses, die Rückzahlung der gesetzlichen Kapitalreserve, sowie dem Erheben von Klage auf Rückerstattung von Leistungen. Ausserdem sollen die Rechte der Minderheitsaktionäre stärker geschützt werden.
Die Antrags- und Traktandierungsrechte von nicht börsenkotierten Unternehmen sind wie folgt:
- 10% des Aktienkapitals oder Stimmrechte für die Einberufung einer Generalversammlung Der Verwaltungsrat muss dem Begehren innert 60 Tagen nachkommen
- 5% des Aktienkapitals oder der Stimmrechte können einen Verhandlungsgegenstand oder Anträge zu den Verhandlungsgegenständen auf die Traktandenliste setzen.
Diese Quoren können in den Statuten reduziert, jedoch nicht erhöht werden.
Auch für die Anforderungen an die Beschlüsse der Generalversammlung erfolgten einzelne Präzisierungen. Sofern das Gesetz oder die Statuten nichts anderes vorsehen, erfolgen Beschlüsse der Generalversammlung mit der Mehrheit der Aktienstimmen. Die Statuten können für den Fall von Stimmengleichheit vorsehen, dass der Vorsitzende den Stichentscheid hat. Der Begriff der «absoluten Mehrheit» wurde entfernt. Nach wie vor sind aber alle vertretenen Aktienstimmen zu berücksichtigen, d.h. auch die Enthaltungen oder leer abgegebene Stimmzettel. Anders ausgedrückt: Für einen Beschluss braucht nach wie vor es die Hälfte plus einer der vertretenen Aktienstimmen.
Eine Generalversammlung kann neu auch ohne Einhaltung der für die Einberufung geltenden Vorschriften abgehalten werden, wenn die Beschlüsse auf schriftlichem Weg auf Papier oder in elektronischer Form erfolgen, sofern kein Aktionär eine mündliche Beratung verlangt. Somit ist es neu auch für die Generalversammlung ein sogenannter Zirkularbeschluss möglich. Bisher bestand diese Möglichkeit nur für den Verwaltungsrat und für Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
Verwaltungsrat
Im Gesetz wird neu klar erwähnt, dass der Verwaltungsrat die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft überwachen muss. Für pflichtbewusste, vernünftige Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte war dies wohl bereits bisher geltender Standard, auch wenn es nicht explizit im Gesetz erwähnt wurde. Nebst der Überwachung ist der Verwaltungsrat auch in der Pflicht, entsprechende Massnahmen zu treffen, um die Zahlungsfähigkeit sicher zu stellen.
Bei Vorliegen eines hälftigen Kapitalverlustes entfällt die Pflicht zur Einberufung einer Sanierungs-Generalversammlung, sofern die Massnahmen, die nötig sind, um den Kapitalverlust zu beseitigen, durch den Verwaltungsrat ergriffen werden können. Andernfalls ist nach wie vor eine Generalversammlung einzuberufen und entsprechende Massnahmen zu beantragen (z.B. Kapitalerhöhung). Der Jahresabschluss muss durch die Revisionsstelle geprüft werden. Falls ein Opting-out besteht, muss ein zugelassener Revisor mit der Prüfung der Jahresrechnung im Auftragsverhältnis durch den Verwaltungsrat beauftragt werden.
Bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung, resp. bei einer ausgewiesenen Überschuldung ist unverzüglich ein Zwischenabschluss zu erstellen. Der Zwischenabschluss, oder je nach Zeitpunkt auch der Jahresabschluss, ist durch die Revisionsstelle zu prüfen. Hat die Gesellschaft keine Revisionsstelle, ist ein zugelassener Revisor mit der Prüfung der Jahresrechnung im Auftragsverhältnis zu beauftragen.
Die Möglichkeit zur Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen zur Beseitigung eines Kapitalverlusts oder einer Überschuldung besteht auch nach neuem Recht. Eine allfällige Aufwertung ist wie bereits im alten Recht durch die Revisionsstelle oder den beauftragten Revisor zu prüfen.
Bei einer Überschuldung ist nach wie vor der Verwaltungsrat für die Benachrichtigung des Richters verantwortlich. Auf die Benachrichtigung des Richters kann verzichtet werden, wenn ausreichende Rangrücktritte vorliegen, oder neu auch, wenn begründete Aussicht auf eine rasche Beseitigung der Überschuldung besteht. Eine rasche Beseitigung bedeutet konkret, dass dies innert 90 Tagen nach Vorliegen der Abschlüsse möglich sein muss.
Sollte die Fortführung der Unternehmung nicht mehr möglich sein, obliegt dem Verwaltungsrat die Anzeigepflicht beim Richter. Wenn der Verwaltungsrat nicht handelt, ist die Benachrichtigung des Richters durch die Revisionsstelle oder den beauftragten Revisor vorzunehmen. Gemäss dem Gesetzestext handeln beide mit der notwendigen Eile, wobei keine Fristen erwähnt werden. Bereits unter dem alten Recht waren die Fristen nicht weiter definiert. In der Praxis haben sich Fristen von 4-8 Wochen etabliert; es ist davon auszugehen, dass diese auch weiterhin so anzuwenden sind.
Vertretung der Geschlechter
Für die Vertretung der Geschlechter im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung von Grösseren Unternehmen wurden Schwellenwerte festgelegt. Als grössere Unternehmung gilt, wer in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zwei der nachfolgenden drei Schwellenwerte überschreitet:
- 20 Mio. CHF Bilanzsumme
- 40 Mio. CHF Umsatz
- 250 Vollzeitstellen
Das Gesetz hält fest: sofern nicht jedes Geschlecht mindestens zu 30 % im Verwaltungsrat und zu 20% in der Geschäftsleitung vertreten ist, sind im Vergütungsbericht die Gründe und die vorgesehenen Massnahmen anzugeben.
Kleinere Unternehmen sind nicht von dieser Regelung betroffen.
Diese Bestimmung trat bereits am 01.01.2021 in Kraft und sieht Übergangsfristen von fünf bis zehn Jahren vor.
Wahl des Verwaltungsrates
Die Amtsdauer des Verwaltungsrates beträgt drei Jahre. In den Statuten kann auch eine abweichende Amtsdauer festgelegt werden, sie darf jedoch sechs Jahre nicht übersteigen. Die Verwaltungsräte sind einzeln zu wählen, ausser die Statuten enthalten eine andere Bestimmung oder der Vorsitzende der Generalversammlung ordnet die Gesamtwahl mit Zustimmung aller vertretenen Aktionäre an.
Wahl und Abberufung Revisionsstelle
Die Revisionsstelle wird für ein bis drei Geschäftsjahre gewählt. Eine Abberufung der Revisionsstelle durch die Generalversammlung ist nur aus wichtigen Gründen möglich. Welche das sind, wird nicht weiter ausgeführt und wäre wohl im Einzelfall zu beurteilen. Wird die Revisionsstelle jeweils für ein Geschäftsjahr gewählt, dürften sich hier keine Probleme ergeben, es sei denn, die Revisionsstelle soll an einer ausserordentlichen Generalversammlung abgewählt werden.
Sofern die Revisionsstelle zurücktritt, muss der Verwaltungsrat die Generalversammlung über die Gründe informieren.
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Wie es bereits in der Vergangenheit üblich war, wird für die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vielerorts auf das Aktienrecht verwiesen. Im Wesentlichen gelten die neuen Bestimmungen auch für die GmbH. Zwei Unterschiede sollen hier jedoch erwähnt werden:
- Die Einführung des Kapitalbandes besteht ausschliesslich für die Aktiengesellschaft. Für die GmbH besteht nach wie vor die Möglichkeit, eine Kapitalerhöhung oder -herabsetzung zu beschliessen, allerdings nicht als Kapitalband. Die Frist für die Anmeldung einer Kapitalerhöhung wurde analog dem Aktienrecht von drei auf sechs Monate nach dem Beschluss der Gesellschafterversammlung verlängert.
- Das GmbH-Recht sieht keine Sonderuntersuchung nach Art. 697c ff OR vor. Diese kann jedoch in den Statuten vorgesehen werden.
Änderungen weiterer Gesetzeserlasse im Zusammenhang mit dem neuen Aktienrecht
- Die Bestimmungen über die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung aus dem Aktienrecht sind für Vereine und Stiftungen anwendbar, nicht aber diejenigen über den Kapitalverlust, da Vereine und Stiftungen kein im Handelsregister eingetragenes Kapital haben.
- Art. 173a Abs. 2 SchKG sieht ausdrücklich vor, dass das Gericht den Konkurs von Amtes wegen aussetzen kann, wenn eine unmittelbare Sanierung wahrscheinlich scheint, ohne dass ein Nachlassvertrag abzuschliessen wäre.
- Lautet der Geschäftsabschluss auf eine ausländische Währung, so ist der steuerbare Reingewinn in Franken umzurechnen.
- Massgebend ist der durchschnittliche Devisenkurs (Verkauf) der Steuerperiode (Art. 80 Abs. 1bis DBG, Art. 31 Abs. 3 StHG).
Massgebend für das steuerbare Kapital ist der Devisenkurs am Ende der Steuerperiode (Art. 31 Abs. 5 StHG).
Wo besteht Handlungsbedarf?
Im Zuge des neuen Aktienrechts wurden viele Präzisierungen angebracht, Formulierungen angepasst und einige Pflichten neu im Gesetz aufgenommen. Viele bedeutend Änderungen wurden bereits im Laufe der letzten Jahre in Kraft gesetzt, wie beispielsweise die Änderungen im Rechnungslegungsrecht. Auch deshalb erscheinen die Änderungen und Anpassungen nicht revolutionär.
Handlungsbedarf besteht vor allem bei den aktuell gültigen Statuten. Sofern diese Bestimmungen enthalten, die nicht mit dem Gesetz vereinbar sind, gilt hier eine Übergangsfrist von zwei Jahren, also bis Ende 2024. Werden die Statuten bis dahin nicht angepasst, werden die Bestimmungen ungültig und durch die gesetzlichen Bestimmungen ersetzt.
Es empfiehlt sich daher, die Stauten zu überprüfen und allenfalls anzupassen. Sofern bereits eine Änderung der Statuten in Arbeit ist, empfehlen wir dringend, auch den restlichen Statuteninhalt auf Aktualität zu prüfen im Sinne einer Generalüberholung anzupassen.
Weitere News in Kürze
Stellenmeldepflicht
Nachdem die Liste der meldepflichtigen Stellen in den Jahren 2021 und 2022 aufgrund der erhöhten Arbeitslosigkeit erweitert wurde, fallen im Jahr 2023 wieder deutlich weniger Berufsarten unter die Stellenmeldepflicht. Die aktuell gültige Liste ist unter www.arbeit.swiss/secoalv abrufbar.
Privatanteile Elektrofahrzeuge
Der Bundesrat hat empfohlen, die Pauschale für die private Nutzung von Geschäftsfahrzeugen sowohl für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor wie auch für Elektrofahrzeuge einheitlich beizubehalten. Die aktuell gültige Pauschale von 0.9% pro Monat, welche sich auf dem Kaufpreis des Fahrzeugs berechnet, kann für Elektrofahrzeuge somit nicht reduziert werden.